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Freitag, 17. November 2023

INVESTCON-INTERVIEW mit Univ.-Prof. Dr. Teodoro D. Cocca

Herr Professor Cocca, Sie sind seit 2006 Leiter der Abteilung für Asset-Management an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Was hat Sie seinerzeit bewogen, die Schweiz zu verlassen und nach Österreich zu kommen?

Mit 33 Jahren eine ordentliche Professur angeboten zu bekommen ist im Leben eines Wissenschaftlers eine einmalige Chance. Dass meine damalige Verlobte (und heutige Ehefrau) aus Oberösterreich stammte war natürlich auch aus privater Sicht ein mehr als bezaubernder zusätzlicher Grund!  

 

Wie es derzeit aussieht hält die EZB aufgrund des anhaltenden Inflationsdrucks an ihrer straffen Geldpolitik fest. Was bedeutet dies für den Anlegermarkt?

Ich glaube, die straffe Haltung der EZB wird sich dennoch in den kommenden Monaten deutlich entschärfen, da die Konjunktur im Euroraum wesentliche Schwächen zeigt. Es wird zunehmend weniger Gründe für die EZB geben, die Zinsen weiterhin so hoch zu belassen. Die Rahmenbedingungen für Bond-Anlagen sind jetzt sehr attraktiv, ich erwarte aber ein sinkendes Zinsniveau im 2024. Aktien bleiben damit langfristig die beste Anlage, da sie von fallenden Zinsen profitieren.

 

In den meisten Industrieländern schrumpft aufgrund der demografischen Entwicklung der Anteil der Erwerbsbevölkerung, während so manche Schwellenländer auf eine relativ junge Bevölkerung verweisen können. Wie sollten Ihrer Meinung nach Anleger darauf reagieren? Welche Sektoren erscheinen aus heutiger Sicht besonders ertragreich?

 

Die großen US-Firmen sind weiterhin die besten Gewinn- und Aktienwertgeneratoren auf der Welt. Sie werden alles daran setzen auch von diesen demografischen Trends zu profitieren. Wer noch stärker darauf setzen möchte, kann Emerging-Markets-Anlagen stärker im Portfolio gewichten. Während Indien zurzeit in aller Munde ist, ist der Pessimismus rund um China enorm. Hier bieten sich auch Chancen gegen den Trend zu investieren, wobei China natürlich aus demografischer Sicht eher unattraktiv erscheint.    

 

Welche Chancen aber auch Risiken ergeben sich für institutionelle und private Anleger durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft?

Ich sehe das Thema aus einer Anlagesicht kritisch. Bisher wurde vor allem viel reguliert ohne dass sich das ESG-Thema aus Risiko-Rendite-Sicht für Investoren tatsächlich als relevant erwiesen hätte. Kurz zusammengefasst scheinen die Marktteilnehmer noch nicht davon überzeugt zu sein, dass ein besonders gutes ESG-Rating eine hohe finanzielle Relevanz bei der Kaufentscheidung hat. Aus ideellen Gründen kann man ESG-Anlagen favorisieren, aus wirtschaftlicher Sicht muss erst mehr Klarheit herrschen, was die vielen Regulierungen unter dem Strich für die Unternehmen bedeuten.   

 

Wie schätzen Sie die Zukunft des Finanzsektors ein? Werden traditionelle Geschäftsmodelle bald passé sein?

Nein, das glaube ich grundsätzlich nicht. Eines der besonderen Merkmale der Finanzwelt ist ja gerade, dass es eine enorme Vielfalt an Anbietern und Geschäftsmodellen gibt. Dies deshalb, weil die Kundenpräferenzen auch so verschieden sind. Der eine Kunde möchte sich von einem Giganten wie die schweizerische UBS beraten lassen, wiederum andere bevorzugen völlig digitale Berater oder schätzen es von kleineren und dafür kundennahen Anbietern betreut zu werden. Diese Vielfalt wird so bleiben oder sogar noch größer werden.

 

Zur Person:

Quelle: JKU Linz


Teodoro D. Cocca studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich (1992–1998). Er war einige Jahre bei der Citibank im Investment und Private Banking beschäftigt (1995–1998), forschte an der Stern School of Business in New York City (2003–2004) und lehrte am Swiss Banking Institute der Universität Zürich (1998–2006).

Seit 2006 ist er Leiter der Abteilung für Asset-Management an der JKU. 2007 wurde er Mitglied des Forschungsinstituts für Bankwesen. Er ist Lehrbeauftragter für Banking und Finance an der Universität Zürich, Referent bei akademischen Tagungen und internationalen Konferenzen und zudem als Berater für eine Reihe von Finanzhäusern tätig. Seit März 2010 ist er als Bankenexperte Mitglied des Verwaltungsrates der GG Geneva Group International AG mit Sitz in Zürich. Seit April 2011 ist er Mitglied des Verwaltungsrates der Verwaltungs- und Privat-Bank Aktiengesellschaft mit Sitz in Vaduz.

Hobbies: Snooker spielen, sehr scharfe Chilis selber anbauen, Fußball mit meinen vier Kids spielen, kalifornische und italienische Rotweine   

Lieblingsbuch: 12 Rules for Life (Jordan Peterson)

Leibspeise: zu einem herrlichen Brancaia (Lieblingsweingut in der Toskana) ein selbst gegrilltes dry-aged Tomahawk Steak, natürlich Bio und aus Österreich! 

 

 

Die Analyse dient nicht als konkrete Handelsempfehlung. Eine Haftung für Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Konsultieren Sie vor Anlageentscheidungen Ihren INVEST-CON Berater. 

 

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