Univ. Prof. Dr. Dr.(mult) Schneider bei einem Exklusivvortrag für INVEST-CON in Wien |
Investcon: Herr Prof. Schneider, was hat Sie eigentlich bewogen, sich der Volkswirtschaft in Forschung und Lehre zu zuwenden?
Schneider: Als ich bei der Deutschen Bundeswehr 1968/69 meinen Wehrdienst abgeleistet hatte und auf 2 Jahre verlängert hatte, um die Bundeswehr als Reserveleutnant zu verlassen, habe ich im letzten halben Jahr einen Zug ausgebildet und hatte da auch die Aufgabe, Staatsbürgerkundeunterricht zu machen. Dabei ging es auch um volkswirtschaftliche Zusammenhänge. Und da merkte ich, dass mich das sehr interessiert, sogar noch mehr als mein Fach Astrophysik, für das ich als Student schon eingeschrieben war. Ich wechselte deshalb mein Studium und ging nach Konstanz, um dort Volkwirtschaftslehre zu studieren.
Investcon: Das Wissen der österreichischen Schüler über Wirtschaft ist noch sehr lückenhaft, das geht auch aus Studien des Instituts für Wirtschaftspädagogik der WU Wien aus dem Jahr 2016 hervor, in der die ökonomische Bildung von Schülern der Sekundarstufe I (8. Schulstufe) und II (gymnasialen Oberstufe) erhoben wurde.
Woran könnte dies Ihrer Meinung nach liegen und wo sollte man ansetzen, um dieses Manko zu beseitigen?
Investcon: Die Österreicher bleiben auch nach 10 Jahren Niedrigzinsumfeld ein Volk der Sparer. Über 260 Milliarden Euro Erspartes liegen in kaum verzinsten Spareinlagen. Sind die Österreicher Anlagenmuffel?
Vortrag von Univ. Prof. Dr. Dr.(mult) Schneider für INVEST-CON in Wien |
Schneider: Zum Teil sicherlich ja. Das hat aber aus Sicht vieler Österreicher einen Grund. Es ist die Sicherheit. Herr und Frau Österreicher wollen jederzeit auf ihr Sparbuch zugreifen können, wollen jederzeit für die Tochter, den Sohn oder für eigene Zwecke das Geld zur Verfügung haben. Tatsächlich tun sie das gar nicht. Also wenn da viel Bewegung wäre, würde ich es ja noch verstehen. Aktien sind fremd, die ganzen Börsen sind fremd, Risiko zu tragen, ist fremd; man hat sofort die Angst, man verliert alles. Und insofern ist diese Beharrungstendenz sehr, sehr ausgeprägt bei uns und wird auch noch einige Zeit anhalten. Ich kann nur jeder Österreicherin und jedem Österreicher raten: ein Drittel höchstens Sparbuch, ein Drittel relativ risikosicher in Fonds und ein Drittel in Aktien. Diese Regel bewährt sich eigentlich sehr gut.
Investcon: Sie sind international bekannt auch als Experte für Schattenwirtschaft, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität. Nun ist Geldwäsche ja kein neues Phänomen, doch unterliegt auch sie einem Wandel. Mit welchen Formen der Geldwäsche haben wir heutzutage zu tun und was kann dagegen unternommen werden?
Schneider: Geldwäsche hat ja im wahrsten Sinne des Wortes in den 1940er Jahren in den amerikanischen Waschsalons begonnen. Man hat zwar nicht Gelder gewaschen, sondern diese Waschsalons verwendet, um mit diesen über künstlich erhöhte Umsätze kriminelle Gelder weiß zu waschen und zu legalisieren. Sehr lange war die Form der Geldwäsche über erhöhte Umsätze eines Taxiunternehmens, eines Restaurants, anderer Dienstleister, wo das schwer zu kontrollieren ist, die gängige Methode, Gelder zu waschen. Man schleuste sie in ein Restaurant ein, der bezahlt ausländische Lieferanten und schon hat man gewaschenes Geld.
Heutzutage hat sich das im Zuge der Globalisierung und auch im Zuge der Computerisierung sehr stark gewandelt. Heutzutage wird Geld viel stärker gewaschen in dem Bereich, dass ich Scheinfirmen gründe, mit diesen Export-Import-Geschäfte mache und dann Gelder so häufig zwischen Banken rund um den Globus hin und her schiebe, bis deren kriminelle Herkunft verschleiert wird. Das war jüngst der Fall bei einer großen dänischen,-schwedischen und baltischen Bank, die hauptsächlich kriminelle Gelder aus Weißrussland, Russland, Ukraine und Moldawien so gewaschen haben. Da brauche ich überhaupt kein Bargeld mehr. Heutzutage geschieht das fast ausschließlich elektronisch.
Was kann ich dagegen machen? Es ist keine einfache Sache, weil wir ja einen liberalisierten Zahlungsverkehr haben und hier Restriktionen sich sofort auch auf jedes legale Geschäft auswirken würden. Helfen würde es, die Finanzströme mit einem Code zu versehen, sodass ich weiß, ich habe von der Bank A zur Bank B 100 Millionen Euro überwiesen und dass dieser Code zumindest eine gewisse Zeit bestehen bleibt, sodass wenn es Nachforschungen gibt aha, der ist von A nach B, dann nach Zürich, dann nach Großbritannien, dann in die USA, dann wieder nach Luxemburg, dann nach Deutschland oder nach Österreich überwiesen worden, sodass ich das dann zurückverfolgen kann. Das kann ich heute gar nicht mehr. Damit wäre es leichter, kriminelle Geldflüsse zu identifizieren.
Was auch wahrscheinlich noch effizienter wäre, wäre eben die Frage des SWIFT und anderer Systeme - eine an sich freiwillige Vereinbarung ist, der sich alle anderen Länder unterwerfen dass man ihnen dann sagt, du brauchst einen Code, wenn du ins Ausland überweisen willst, dass man Länder, die nicht kooperativ sind, von diesem System ausschließt. Dann wird es sehr mühsam für dieses Land, und es überlegt es sich sehr schnell. Aber in diesen Bereichen stecken wir erst am Anfang bei der Bekämpfung. Auch in der G20, der Gruppe der 20 mächtigsten Industrieländer, wird nun versucht, gegen diese illegalen Finanzströme etwas zu tun. Das braucht allerdings den Konsens aller Länder, sonst kann ich elektronisch sehr schnell ausweichen, und das wird wohl noch etliche Jahre dauern, bis hier entsprechende Bekämpfungsmaßnahmen vorliegen.
Investcon: Man hat mit der Geldwäsche den Banken die Aufgabe der Polizei übertragen. Sie müssen bei den Kunden nachforschen, ob da etwas nicht in Ordnung ist. Hier wird also wie es ein Journalist vor kurzem ausdrückte -die „Polizei“ bestraft, wenn ihre polizeilichen Maßnahmen Aufsehern als ungenügend erscheinen. Ich glaube nicht, dass so etwas auch in irgendeiner Polizeistelle geschieht. Brauchen wir nicht dringend ein lebendiges, flexibles Bankwesen, das sich der europäischen Wirtschaft widmet?
Schneider: Mit der Frage der Geldwäsche und Überwachung hat man meiner Meinung nach auch übertrieben. Auch die Kontrollen und dass die Banken diese Aufgaben übernehmen sollen ja, Herkunftsnachweis soll die Bank verlangen, das ist vollkommen richtig aber sie kann in dem Sinne nur sehr beschränkt Polizeiaufgaben übernehmen. Es stellt sich ja jetzt die Frage, wenn ich sehr streng auf der untersten Ebene reglementiere, ob ich das nicht umgehen kann. Und in der EU kann ich das schon umgehen, indem ich halt mir die Länder suche wie Malta oder Zypern, wo man auch mittels Bestechung oder anderer Methoden sehr leicht Gelder einschleusen kann. Und liegt das Geld mal auf einem EU-Konto in Malta, dann ist es blitzschnell in Deutschland, Österreich oder sonst wo. Also, man hätte hier die Kirche im Dorf lassen sollen, man hätte hier modernere Gesetze gebraucht, wo wirklich Verdachtsmomente sind. Wenn ich jetzt 40 Jahre Kunde bei meiner Bank bin, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass ich jetzt anfange, Geld zu waschen. Dass man strenger kontrolliert bei völlig Unbekannten, das ist klar. Ich bin ganz bei Ihnen, dass wir ein modernes, flexibles Recht bräuchten. Und wir bräuchten vielleicht eine andere Codifizierung, dass wir die Zahlungsströme nachvollziehen können. Das können wir jetzt nicht.
Investcon: Die Staatsschulden der USA betragen mit Stand April rund 22 Billionen Dollar und sind damit auf einem neuen Rekordniveau. In absoluten Zahlen ist dies die weltweit höchste Verschuldung.
Die USA leisten sich den Luxus niedriger Steuern. Bei einer Steuern- und Abgabenquote wie in Europa hätten die USA enorme Überschüsse und keine Schulden. Präsident Trump will die Steuern weiter senken und die Ausgaben steigern. Wie viel Schulden verkraften die USA?
Schneider: Die USA mit dem Dollar als Leitwährung und als größte Wirtschafts- und Militärmacht der Welt haben natürlich eine Art Monopolstellung. Dadurch, dass der Dollar ist fast überall als Zahlungsmittel fungiert, der Dollar als Währung sehr gefragt ist, amerikanische Schuldverschreibungen sehr gefragt sind, weil sie eine sichere Anlage darstellen, weil man sich nicht vorstellen kann, dass der Dollar in der Hyperinflation oder sonst wo endet, haben natürlich ein leichtes Spiel und können diese Verschuldung tragen. Aber das geht auch nicht unbegrenzt, insbesondere dann, wenn die amerikanische Verschuldung noch stärker zunimmt und damit eben irgendwann ein Präsident wieder anfangen muss, die Schulden zu bezahlen, zumindest nicht weiter anzuhäufen. Die Verschuldung der USA stößt an ihre Grenzen. Es ist auch die Frage, was mit dem Geld gemacht wird. Es wird nur ein geringer Teil in die notwendige Infrastruktur gesteckt. Der meiste Teil geht in das Militär, die Grenzsicherung und andere Dinge. Da kann man zu Recht zweifeln, ob das eine langfristig tragbare Maßnahme ist. Also insofern werden die USA irgendwann den Schuldenberg abbauen müssen, spätestens nach weiteren 4 Jahren, wenn Trump wiedergewählt ist. Ich hoffe, dass es auch unter der nächsten Administration Trump nicht so weit kommt, sondern dass man auch wieder mal an die Konsolidierung des amerikanischen Staatshaushalts denkt. Die Verschuldung liegt jetzt bei 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn diese weiter steigt, dann haben die USA auch weniger fiskalischen Spielraum. Und wenn die amerikanische Notenbank die Zinsen weiter anhebt, wird der Zinsendienst sehr bald zum größten Ausgabenposten im amerikanischen Haushalt. Das schränkt den Bewegungsspielraum ein, und wenn dann eine Rezension kommt, hat die amerikanische Regierung große Schwierigkeiten.
Vortrag von Univ. Prof. Dr. Dr.(mult) Schneider für INVEST-CON in Wien |
Es ist die Frage, ob die Steuerreform auch wirkt. Der gleichzeitige Handelskrieg mit China diese spielen jetzt ihren Trumpf mit den „seltenen Erden“ aus - das trifft die amerikanische aber auch die europäische Wirtschaft u. U. sehr hart, kann zu einem Abschwung führen. Und dann ist der fiskalische Spielraum der USA nicht mehr gegeben.
Man hat ja in Amerika die Idee, dass das Geld vom Himmel fällt, oder diese New-Monetary-Theory („Lass die Notenpresse laufen, alles Übrige erledigt sich von selbst“), das ist grenzenlos naiv, ökonomisch unsinnig. Alle vergangenen Beispiele zeigen, es endet in einer Hyperinflation, in einer Enteignung der Sparer und auch der Staatsbürger.
Investcon: Europäische Politiker pilgern nach China und bekunden, an der neuen Seidenstraße teilnehmen zu wollen. 125 Länder sind Teil des Infrastrukturprojektes Seidenstraße vom Hafen Piräus in Griechenland bis zum Offshorepark in Helgoland.
Gerade auf dem Balkan bekommen die Chinesen immer mehr die Zuschläge für immer mehr Neubauprojekte. Chinesische Investoren übernehmen nicht nur wirtschaftlich rentable Unternehmen wie z.B. den slowenischen Küchengerätehersteller Gorenje, der großteils in Serbien herstellen lässt. Auch die marode Schwerindustrie Ex-Jugoslawiens wird aufgekauft. Bislang profitieren nur die Chinesen. 90 Prozent der Seidenstraßen-Projekte werden von chines. Unternehmen umgesetzt. Ist Europa da nicht gefordert zu reagieren? Wie sollte man reagieren?
Schneider: Das ist eine sehr diffizile Frage. China expandiert. Die Seidenstraße ist ein neues großes Infrastrukturprojekt, das strikt von den Chinesen kontrolliert wird. China setzt sich strategisch überall fest, um seinen Einfluss abzusichern. Es ist einmal eine geo-machtpolitische Strategie das mit der Seidenstraße, und zum anderen sind viele chinesische Firmen trotz des riesigen Inlandsmarktes darauf angewiesen, zu exportieren. Und dazu braucht es sichere und schnelle Handelswege. China will sich als Wirtschafts- und Weltmacht etablieren.
Was soll Europa tun? Europa soll sich sehr genau überlegen, welche Bereiche es den Chinesen überlässt. Wer einen Hafen besitzt wie Piräus, der kontrolliert ihn. Ich glaube, das muss man schon ganz klar sehen. Man kann ja auch die Zusammenarbeit suchen auf Augenhöhe fifty-fifty, sodass der Einfluss Europas nicht verloren geht. Ich kann zum Teil die amerikanische Reaktion verstehen. Es gibt keine Rechtssicherheit in China, keine Klageinstanz. Vertragsverletzungen können nicht vor Schiedsgerichten geahndet werden. Insofern bedeutet das für europäische Firmen immer, dass man Zweiter ist, weil man keine Chancen- und Waffengleichheit hat. China muss sich deshalb in dieser Richtung ändern. Und da wäre ein festes Auftreten von Europa und in dieser Sache vielleicht einmal gemeinsam mit den USA sehr wichtig, dass nämlich China erkennt, wenn ichweiteren Handel treiben will, dann müssen Spielregeln gelten. Ich kann nicht nur meine Spielregeln überall festsetzen, die mir nützen. Ein stärkeres und vor allem geschlossenes Auftreten der EU gegenüber China wäre sehr notwendig, nicht das Herauspicken durch einzelne Länder wie es z. B Italien jetzt getan hat, wo Sondervereinbarungen mit China abgeschlossen wurden. Ich kann nur hoffen, dass die neue EU-Kommission entsprechende Anstrengungen unternimmt.
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Angaben zur Person:
Alter: 70 Jahre
Stand: verheiratet
Kinder: 4 Töchter
Freizeit/Hobbies:
Ich bin ein leidenschaftlicher Koch, der auch das isst, was er kocht. Ich bin Mitglied in der Österr. Weinbruderschaft, koste gerne Weine und mache dort auch Ausflüge. Zudem reise ich gerne. Als neugieriger Mensch möchte ich auch noch vieles von der Welt sehen, was ich noch nicht kenne. Und dann auch noch ein wenig Lesen.
Die Analyse dient nicht als konkrete Handelsempfehlung. Eine Haftung für Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Konsultieren Sie vor Anlageentscheidungen Ihren INVEST-CON Berater.
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