Herr Professor Cocca, Sie sind seit 2006 Leiter der Abteilung für Asset-Management an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Was hat Sie seinerzeit bewogen, die Schweiz zu verlassen und nach Österreich zu kommen?
Mit 33 Jahren eine ordentliche Professur
angeboten zu bekommen ist im Leben eines Wissenschaftlers eine einmalige
Chance. Dass meine damalige Verlobte (und heutige Ehefrau) aus Oberösterreich
stammte war natürlich auch aus privater Sicht ein mehr als bezaubernder
zusätzlicher Grund!
Wie es derzeit aussieht hält die EZB aufgrund des anhaltenden
Inflationsdrucks an ihrer straffen Geldpolitik fest. Was bedeutet dies für den
Anlegermarkt?
Ich glaube, die straffe Haltung der EZB
wird sich dennoch in den kommenden Monaten deutlich entschärfen, da die
Konjunktur im Euroraum wesentliche Schwächen zeigt. Es wird zunehmend weniger
Gründe für die EZB geben, die Zinsen weiterhin so hoch zu belassen. Die
Rahmenbedingungen für Bond-Anlagen sind jetzt sehr attraktiv, ich erwarte aber
ein sinkendes Zinsniveau im 2024. Aktien bleiben damit langfristig die beste
Anlage, da sie von fallenden Zinsen profitieren.
In den meisten Industrieländern schrumpft aufgrund der demografischen
Entwicklung der Anteil der Erwerbsbevölkerung, während so manche
Schwellenländer auf eine relativ junge Bevölkerung verweisen können. Wie
sollten Ihrer Meinung nach Anleger darauf reagieren? Welche Sektoren erscheinen
aus heutiger Sicht besonders ertragreich?
Die großen US-Firmen sind weiterhin die
besten Gewinn- und Aktienwertgeneratoren auf der Welt. Sie werden alles daran
setzen auch von diesen demografischen Trends zu profitieren. Wer noch stärker
darauf setzen möchte, kann Emerging-Markets-Anlagen stärker im Portfolio
gewichten. Während Indien zurzeit in aller Munde ist, ist der Pessimismus rund
um China enorm. Hier bieten sich auch Chancen gegen den Trend zu investieren, wobei
China natürlich aus demografischer Sicht eher unattraktiv erscheint.
Welche Chancen aber auch Risiken ergeben sich für institutionelle und
private Anleger durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft?
Ich sehe das Thema aus einer Anlagesicht
kritisch. Bisher wurde vor allem viel reguliert ohne dass sich das ESG-Thema
aus Risiko-Rendite-Sicht für Investoren tatsächlich als relevant erwiesen
hätte. Kurz zusammengefasst scheinen die Marktteilnehmer noch nicht davon
überzeugt zu sein, dass ein besonders gutes ESG-Rating eine hohe finanzielle
Relevanz bei der Kaufentscheidung hat. Aus ideellen Gründen kann man
ESG-Anlagen favorisieren, aus wirtschaftlicher Sicht muss erst mehr Klarheit
herrschen, was die vielen Regulierungen unter dem Strich für die Unternehmen
bedeuten.
Wie schätzen Sie die Zukunft des Finanzsektors ein? Werden traditionelle
Geschäftsmodelle bald passé sein?
Nein, das glaube ich grundsätzlich
nicht. Eines der besonderen Merkmale der Finanzwelt ist ja gerade, dass es eine
enorme Vielfalt an Anbietern und Geschäftsmodellen gibt. Dies deshalb, weil die
Kundenpräferenzen auch so verschieden sind. Der eine Kunde möchte sich von
einem Giganten wie die schweizerische UBS beraten lassen, wiederum andere
bevorzugen völlig digitale Berater oder schätzen es von kleineren und dafür kundennahen
Anbietern betreut zu werden. Diese Vielfalt wird so bleiben oder sogar noch
größer werden.
Zur Person:
Quelle: JKU Linz |
Teodoro D. Cocca
studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich (1992–1998). Er
war einige Jahre bei der Citibank im Investment und Private Banking beschäftigt
(1995–1998), forschte an der Stern School of Business in New York City
(2003–2004) und lehrte am Swiss Banking Institute der Universität Zürich
(1998–2006).
Seit 2006 ist er Leiter
der Abteilung für Asset-Management an der JKU. 2007 wurde er Mitglied des
Forschungsinstituts für Bankwesen. Er ist Lehrbeauftragter für Banking und
Finance an der Universität Zürich, Referent bei akademischen Tagungen und
internationalen Konferenzen und zudem als Berater für eine Reihe von
Finanzhäusern tätig. Seit März 2010 ist er als Bankenexperte Mitglied des
Verwaltungsrates der GG Geneva Group International AG mit Sitz in Zürich. Seit
April 2011 ist er Mitglied des Verwaltungsrates der Verwaltungs- und
Privat-Bank Aktiengesellschaft mit Sitz in Vaduz.
Hobbies: Snooker spielen, sehr
scharfe Chilis selber anbauen, Fußball mit meinen vier Kids spielen, kalifornische
und italienische Rotweine
Lieblingsbuch: 12 Rules for Life
(Jordan Peterson)
Leibspeise: zu einem herrlichen Brancaia
(Lieblingsweingut in der Toskana) ein selbst gegrilltes dry-aged Tomahawk Steak,
natürlich Bio und aus Österreich!
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