Montag, 20. November 2023

Krieg im Heiligen Land - Historische Entwicklung und mögliche Auswirkungen auf die Wirtschaft

von Dr. Bernhard Hofer

 

Die Geschichte Israels beginnt mit der biblischen Erzählung von Abraham, der als Stammvater des israelitischen Volkes gilt. Im Buch Genesis, wird erzählt, wie Gott einen besonderen Bund mit Abraham schloss. In diesem Bund versprach Gott, Abraham und seinen Nachkommen ein Land (das spätere Israel) zu geben und sie zu einem großen Volk zu machen. Dieser Bund bildet die Grundlage für die Identität des israelitischen Volkes.

Bis zum Ende des 1. Weltkrieges war die Geschichte Israels von Besiedelungen, Eroberungen und Vertreibung gekennzeichnet. Die Juden waren zu dieser Zeit weltweit verstreut. Dann übernahm Großbritannien die Kontrolle über Palästina gemäß dem Völkerbundsmandat. Die Mandatsverwaltung sah die Schaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina vor. In der Folge kam es zu einer erheblichen Einwanderungswelle jüdischer Flüchtlinge und Immigranten nach Palästina. Dies trug zur Stärkung der jüdischen Gemeinschaft bei und schuf die Voraussetzungen für die Schaffung eines jüdischen Staates.

Die Vereinten Nationen verabschiedeten im November 1947 die Resolution 181, die die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah, wobei Jerusalem unter internationale Verwaltung gestellt werden sollte. Obwohl der Plan von vielen arabischen Staaten abgelehnt wurde, schuf er die Grundlage für die Gründung eines jüdischen Staates. Am 14. Mai 1948 erklärte David Ben-Gurion, der erste Premierminister Israels, die Unabhängigkeit des Staates Israel.

Direkt nach der Unabhängigkeitserklärung kam es zu einem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarländern, darunter Ägypten, Jordanien, Irak, Libanon und Syrien. Israel gewann den Krieg, behielt seine Unabhängigkeit und erweiterte sein Territorium. Während des Krieges kam es zu einer erheblichen Vertreibung und Flucht von palästinensischen Arabern, die zu einem langanhaltenden Flüchtlingsproblem führte. Viele Palästinenser wurden aus ihren Heimatgebieten vertrieben, und die Flüchtlingsfrage blieb ein zentrales Element des israelisch-palästinensischen Konflikts, der bis heute anhält.

Im Jahr 1967 führte Israel den Sechstagekrieg gegen Ägypten, Jordanien und Syrien. Israel eroberte während des Krieges das Westjordanland, Ost-Jerusalem, den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel und die Golanhöhen. Sechs Jahre später kam es zu einem Überraschungsangriff Ägyptens und Syriens auf Israel (Jom-Kippur-Krieg). Es gab erhebliche Verluste auf beiden Seiten; er endete mit einem Waffenstillstand. Die in Folge geschlossenen Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien führten zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und diesen beiden Nachbarländern.

In den 1990er Jahren begann der Oslo-Friedensprozess zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Er führte zur Errichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde und zur teilweisen Selbstverwaltung der Palästinenser in Teilen des Westjordanlandes und des Gazastreifens. Der Ausbau israelischer Siedlungen in den besetzten Gebieten führte jedoch zu anhaltenden Spannungen und Konflikten zwischen Israelis und Palästinensern. Der Status von Jerusalem blieb ein besonders umstrittenes Thema.

Israel hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Militärmacht entwickelt und seine Beziehungen zu verschiedenen arabischen Ländern, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Sudan und Marokko, normalisiert.

1964 wurde die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) als Dachorganisation verschiedener Fraktionen, die die Vertretung aller Palästinenser, auch der im arabischen und im nichtmuslimischen Exil, anstrebt, gegründet. Die weitaus stärkste Fraktion ist die Fatah. Mit der Ersten Intifada ab 1987 litt der Alleinvertretungsanspruch der PLO und ihre Führungsrolle unter den Palästinensern. Organisationen mit radikaleren Standpunkten, wie die 1987 als Zweig der islamistischen Bruderschaft gegründete Hamas und der Islamische Dschihad, gewannen mehr und mehr an Bedeutung. Erklärtes Hauptziel der Hamas ist die Zerstörung Israels und die Errichtung eines islamischen Staates.

Im Juni 2007 ergriff die Hamas gewaltsam die Macht im Gazastreifen, wo sie seither de facto herrscht. Aufgrund der Rivalität zwischen Fatah und Hamas wurden seither keine demokratischen Wahlen in den Palästinensergebieten mehr durchgeführt. 2001 begann die Hamas erstmals aus dem Gazastreifen Israel mit Raketen zu beschießen. Die Auseinandersetzungen nahmen in den Folgejahren zu und führten insbesondere 2008/2009 und 2014 zu größeren militärischen Auseinandersetzungen. 2006 fanden im Gazastreifen die letzten Wahlen statt; seit dieser Zeit herrscht die Hamas dort unumschränkt. Berichten von Human Rights Watch zufolge werde Kritiker und Oppositionelle systematisch gefoltert oder zum Tod verurteilt.

Ein zentrales Problem des Palästinakonflikts ist die dort geübte Siedlungspolitik. In zahlreichen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurde die Einrichtung und Erweiterung der israelischen Siedlungen im Westjordanland und im Gazastreifen als illegal bezeichnet. Es wurde festgehalten, dass die Siedlungen einen Verstoß gegen das Völkerrecht darstellen, der geforderten Zweistaatenlösung entgegenstehen und Israel die Siedlungsaktivitäten beenden müsse. Allerdings sind diese Resolutionen völkerrechtlich nicht bindend. Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Gutachten und Gerichtsurteile, die – je nach Argumentation – einmal der einen und einmal der anderen Seite zuspielen.

Mit der Parlamentswahl im November 2022 rückte Israel deutlich nach rechts; der Einfluss religiöser Kräfte stieg. Die streng religiösen und nationalreligiösen Parteien stellen über ein Viertel der Parlamentsabgeordneten und haben im Regierungsbündnis mit dem Likud-Block von Netanyahu die Mehrheit. Linke und sozialdemokratische Parteien sind dagegen weit abgeschlagen.

Besonders heikel ist nunmehr folgende Situation: Israel verfügt als einziges Land unter den „freien“ Ländern über kein Instrument zur Dezentralisierung politischer Macht. Mit einer einfachen Mehrheit kann die Knesset, das israelische Parlament, fast jedes Grundgesetz in einem normalen Gesetzgebungsverfahren in drei Lesungen und sogar innerhalb eines Tages verabschieden und ändern. Diese Dominanz der Exekutive versetzt die Regierung in die Lage, kurzfristigen politischen Interessen nachzugeben und ohne ein System gegenseitiger Kontrolle nahezu uneingeschränkt zu herrschen.

Im Frühjahr 2023 trat auch klar zutage, dass Teile der Regierung vor allem einer klaren Agenda folgen: Ausbau der Siedlungen. Tausende neue Wohneinheiten waren bereits beschlossen, ebenso die Legalisierung einer Reihe sogenannter Außenposten. Obwohl sich Netanyahu vor einer Kabinettssitzung öffentlich gegen illegale Landnahmen äußerte, widersprachen jüngste Beschlüsse der Regierung seinen Aussagen.

Am 7. Oktober 2023 startete die Hamas aus dem Gazastreifen eine terroristische Aktion gegen Israel. Der Angriff begann mit Raketenbeschuss auf Israel, gefolgt vom Vordringen der Hamas auf israelisches Staatsgebiet nach Überwindung der Sperranlagen um den Gazastreifen. Dabei folterten und massakrierten die Hamas und ihre Verbündeten nach israelischen Angaben mindestens 1400 Zivilisten und Soldaten, verletzten 4100 Menschen und entführten 220 weitere. Es handelt sich dabei um den größten Massenmord an Juden nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Israel rief daraufhin den Kriegszustand aus, begann mit Luftbombardements und der Vorbereitung einer Bodenoffensive gegen den Gazastreifen. Es ist erklärtes Ziel der Israelis, die Hamas endgültig zu zerschlagen und die entführten Geiseln zu befreien.

 

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Zweifellos treffen die Auswirkungen des Krieges gegen die Terroristen der Hamas Israel auch wirtschaftlich. Das 9,4 Millionen Einwohner zählende Land gehört zu den reichsten Staaten der Welt. In bestimmten Bereichen wie Innovation und Technologie ist das Land weltweit führend. Der Hightech-Sektor war im Jahr 2022 für mehr als 48 Prozent aller israelischen Exporte verantwortlich. Rund 14 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Tech-Jobs. Weitere bedeutende Wirtschaftszweige sind der Biotech-Sektor, die Pharmabranche und die Sicherheitsindustrie. Gemessen nach dem BIP pro Einwohner liegt Israel auf Rang 14 mit einem Wert von rund 55.000 US-Dollar. 2012 lag die Wirtschaftsleistung bei rund 263 Milliarden US-Dollar; 2022 bereits bei 525 Milliarden. Israel verfügt über 169.500 aktive Soldaten und über 465.000 Reservisten (männlich und weiblich). Binnen 48 Stunden hatte die Armee rund 300.000 Reservisten mobilisiert. Damit veränderte sich auch das Alltagsleben; diese Arbeitskräfte fehlen derzeit der israelischen Wirtschaft. Die Notenbank senkte ihre Wachstumsprognose. Der Der TA-35, ein Aktienindex mit 35 der größten börsennotierten Unternehmen Israels, hat seit dem Angriff der Hamas deutlich nachgegeben.

Aber Israels Abhängigkeit von Importen ist ebenfalls groß. Der Schekelkurs ist auf den tiefsten Stand zum US-Dollar seit achteinhalb Jahren abgerutscht. Importe dürften somit teurer und die Inflation angeheizt werden.

Außerhalb Israels scheint die Wirtschaft derzeit in Schockstarre gefallen zu sein. Nach Chinas Abschottung durch Covid und dem russischen Einmarsch in die Ukraine suchten globale Unternehmen nach neuen Investitionsstandorten und in der Folge floss ein großer Teil der Gelder in den Mittleren Osten. Die Annäherungsbestrebungen zwischen arabischen Staaten und Israels schürten die Hoffnung auf Stabilität in der Region.

Bis jetzt sind die wirtschaftlichen Auswirkungen kaum spürbar, doch die Situation gleicht einem Pulverfass. So könnte ein Kriegseintritt der Hisbollah oder die Beteiligung des Iran den Konflikt auf ein gefährliches Niveau befördern. Ebenso beunruhigend sind die Massenproteste auf den Straßen in Ägypten, Libanon, Jordanien oder Tunesien, welche die dortigen Regierungen unter Druck setzen könnten. Die ägyptische Bevölkerung hegt große Sympathien für die Palästinenser.

Eine Massenflucht aus Gaza Richtung Ägypten könnte die größte Volkswirtschaft Nordafrikas hart treffen, vor allem den Tourismus, der mit Einnahmen von 20 Milliarden Dollar eine der wichtigsten Branchen des Landes darstellt. Ganz zu schweigen von weiteren Auswirkungen auf Personal- oder Wohnungsmarkt und Auslandsinvestitionen. Letzteres beträfe auch alle DAX-Unternehmen, welche knapp eine halbe Milliarde Euro jährlich investieren. Betroffen sind auch Großprojekte wie z. B. jenes von Siemens Mobility, welches um rund 8 Milliarden Euro eine Zugverbindung baut oder Branchen aus dem Energiebereich, die Baubranche usw.

Eine Ausweitung des derzeitigen Konflikts im Nahen Osten würde sich auch auf die weltweite Versorgung mit Medikamenten auswirken. In Israel werden derzeit mehr als 60 Wirkstoffe hergestellt. Atosiban – ein Stoff, der zur Wehenhemmung eingesetzt wird – kommt zu mehr als 30 Prozent aus Israel. Teva, eines der weltgrößten Pharmaunternehmen hat ebenso seinen Hauptsitz und mehrere Produktionsstätten in Israel. Rund 70 km von der libanesischen Grenze entfernt stellt die Biotechfirma Protalix Stoffe für die Behandlung der seltenen Stoffwechselkrankheiten Morbus Gaucher und Morbus Fabry her.

Zu alledem würde eine Ausweitung des Krieges enorme Auswirkungen auf den Gas- und Ölmarkt mit sich bringen.

Noch scheint die Auseinandersetzung räumlich begrenzt zu bleiben. Regierungen zahlreicher Länder setzen ihre Hoffnung auf Diplomatie, um einerseits das schier unermessliche Leid der Palästinenser zu mildern und andererseits eine Perspektive für die Konfliktparteien zu schaffen. Dies alles zu einer Zeit, wo der Kampf der Großmächte um eine neue Weltordnung gerade erst Fahrt aufgenommen hat.

 

 

Die Analyse dient nicht als konkrete Handelsempfehlung. Eine Haftung für Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Konsultieren Sie vor Anlageentscheidungen Ihren INVEST-CON Berater. 

 

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