von Dr. Bernhard Hofer
Die Geschichte Israels beginnt mit der
biblischen Erzählung von Abraham, der als Stammvater des israelitischen Volkes
gilt. Im Buch Genesis, wird erzählt, wie Gott einen besonderen Bund mit Abraham
schloss. In diesem Bund versprach Gott, Abraham und seinen Nachkommen ein Land
(das spätere Israel) zu geben und sie zu einem großen Volk zu machen. Dieser
Bund bildet die Grundlage für die Identität des israelitischen Volkes.
Bis zum Ende des 1. Weltkrieges war die
Geschichte Israels von Besiedelungen, Eroberungen und Vertreibung
gekennzeichnet. Die Juden waren zu dieser Zeit weltweit verstreut. Dann
übernahm Großbritannien die Kontrolle über Palästina gemäß dem Völkerbundsmandat.
Die Mandatsverwaltung sah die Schaffung einer jüdischen Heimstätte in Palästina
vor. In der Folge kam es zu einer erheblichen Einwanderungswelle jüdischer
Flüchtlinge und Immigranten nach Palästina. Dies trug zur Stärkung der
jüdischen Gemeinschaft bei und schuf die Voraussetzungen für die Schaffung
eines jüdischen Staates.
Die Vereinten Nationen verabschiedeten im
November 1947 die Resolution 181, die die Teilung Palästinas in einen jüdischen
und einen arabischen Staat vorsah, wobei Jerusalem unter internationale
Verwaltung gestellt werden sollte. Obwohl der Plan von vielen arabischen
Staaten abgelehnt wurde, schuf er die Grundlage für die Gründung eines
jüdischen Staates. Am 14. Mai 1948 erklärte David Ben-Gurion, der erste
Premierminister Israels, die Unabhängigkeit des Staates Israel.
Direkt nach der Unabhängigkeitserklärung kam
es zu einem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarländern, darunter
Ägypten, Jordanien, Irak, Libanon und Syrien. Israel gewann den Krieg, behielt
seine Unabhängigkeit und erweiterte sein Territorium. Während des Krieges kam
es zu einer erheblichen Vertreibung und Flucht von palästinensischen Arabern,
die zu einem langanhaltenden Flüchtlingsproblem führte. Viele Palästinenser
wurden aus ihren Heimatgebieten vertrieben, und die Flüchtlingsfrage blieb ein
zentrales Element des israelisch-palästinensischen Konflikts, der bis heute
anhält.
Im Jahr 1967 führte Israel den Sechstagekrieg
gegen Ägypten, Jordanien und Syrien. Israel eroberte während des Krieges das
Westjordanland, Ost-Jerusalem, den Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel und die
Golanhöhen. Sechs Jahre später kam es zu einem Überraschungsangriff Ägyptens
und Syriens auf Israel (Jom-Kippur-Krieg). Es gab erhebliche Verluste auf
beiden Seiten; er endete mit einem Waffenstillstand. Die in Folge geschlossenen
Friedensverträge mit Ägypten und Jordanien führten zur Normalisierung der
Beziehungen zwischen Israel und diesen beiden Nachbarländern.
In den 1990er Jahren begann der
Oslo-Friedensprozess zwischen Israel und der Palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO). Er führte zur Errichtung der Palästinensischen
Autonomiebehörde und zur teilweisen Selbstverwaltung der Palästinenser in
Teilen des Westjordanlandes und des Gazastreifens. Der Ausbau israelischer
Siedlungen in den besetzten Gebieten führte jedoch zu anhaltenden Spannungen
und Konflikten zwischen Israelis und Palästinensern. Der Status von Jerusalem
blieb ein besonders umstrittenes Thema.
Israel hat sich in den letzten Jahrzehnten zu
einer regionalen Militärmacht entwickelt und seine Beziehungen zu verschiedenen
arabischen Ländern, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Sudan
und Marokko, normalisiert.
1964 wurde die Palästinensische
Befreiungsorganisation (PLO) als Dachorganisation verschiedener Fraktionen, die
die Vertretung aller Palästinenser, auch der im arabischen und im
nichtmuslimischen Exil, anstrebt, gegründet. Die weitaus stärkste Fraktion ist
die Fatah. Mit der Ersten Intifada ab 1987 litt der Alleinvertretungsanspruch
der PLO und ihre Führungsrolle unter den Palästinensern. Organisationen mit
radikaleren Standpunkten, wie die 1987 als Zweig der islamistischen
Bruderschaft gegründete Hamas und der Islamische Dschihad, gewannen mehr und
mehr an Bedeutung. Erklärtes Hauptziel der Hamas ist die Zerstörung Israels und
die Errichtung eines islamischen Staates.
Im Juni 2007 ergriff die Hamas gewaltsam die Macht im Gazastreifen, wo sie seither de facto herrscht. Aufgrund der Rivalität zwischen Fatah und Hamas wurden seither keine demokratischen Wahlen in den Palästinensergebieten mehr durchgeführt. 2001 begann die Hamas erstmals aus dem Gazastreifen Israel mit Raketen zu beschießen. Die Auseinandersetzungen nahmen in den Folgejahren zu und führten insbesondere 2008/2009 und 2014 zu größeren militärischen Auseinandersetzungen. 2006 fanden im Gazastreifen die letzten Wahlen statt; seit dieser Zeit herrscht die Hamas dort unumschränkt. Berichten von Human Rights Watch zufolge werde Kritiker und Oppositionelle systematisch gefoltert oder zum Tod verurteilt.
Ein zentrales Problem des Palästinakonflikts
ist die dort geübte Siedlungspolitik. In zahlreichen Resolutionen des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen wurde die Einrichtung und Erweiterung
der israelischen Siedlungen im Westjordanland und im Gazastreifen als illegal
bezeichnet. Es wurde festgehalten, dass die Siedlungen einen Verstoß gegen das
Völkerrecht darstellen, der geforderten Zweistaatenlösung entgegenstehen und
Israel die Siedlungsaktivitäten beenden müsse. Allerdings sind diese
Resolutionen völkerrechtlich nicht bindend. Darüber hinaus gibt es noch
zahlreiche Gutachten und Gerichtsurteile, die – je nach Argumentation – einmal
der einen und einmal der anderen Seite zuspielen.
Mit der Parlamentswahl im November 2022 rückte Israel deutlich nach rechts; der Einfluss religiöser Kräfte stieg. Die streng religiösen und nationalreligiösen Parteien stellen über ein Viertel der Parlamentsabgeordneten und haben im Regierungsbündnis mit dem Likud-Block von Netanyahu die Mehrheit. Linke und sozialdemokratische Parteien sind dagegen weit abgeschlagen.
Besonders heikel ist nunmehr folgende
Situation: Israel verfügt als einziges Land unter den „freien“ Ländern über
kein Instrument zur Dezentralisierung politischer Macht. Mit einer einfachen
Mehrheit kann die Knesset, das israelische Parlament, fast jedes Grundgesetz in
einem normalen Gesetzgebungsverfahren in drei Lesungen und sogar innerhalb
eines Tages verabschieden und ändern. Diese Dominanz der Exekutive versetzt die
Regierung in die Lage, kurzfristigen politischen Interessen nachzugeben und
ohne ein System gegenseitiger Kontrolle nahezu uneingeschränkt zu herrschen.
Im Frühjahr 2023 trat auch klar zutage, dass
Teile der Regierung vor allem einer klaren Agenda folgen: Ausbau der
Siedlungen. Tausende neue Wohneinheiten waren bereits beschlossen, ebenso die
Legalisierung einer Reihe sogenannter Außenposten. Obwohl sich Netanyahu vor
einer Kabinettssitzung öffentlich gegen illegale Landnahmen äußerte, widersprachen
jüngste Beschlüsse der Regierung seinen Aussagen.
Am 7. Oktober 2023 startete die Hamas aus dem
Gazastreifen eine terroristische Aktion gegen Israel. Der Angriff begann mit
Raketenbeschuss auf Israel, gefolgt vom Vordringen der Hamas auf israelisches
Staatsgebiet nach Überwindung der Sperranlagen um den Gazastreifen. Dabei
folterten und massakrierten die Hamas und ihre Verbündeten nach israelischen
Angaben mindestens 1400 Zivilisten und Soldaten, verletzten 4100 Menschen und
entführten 220 weitere. Es handelt sich dabei um den größten Massenmord an Juden
nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Israel rief daraufhin den Kriegszustand aus,
begann mit Luftbombardements und der Vorbereitung einer Bodenoffensive gegen
den Gazastreifen. Es ist erklärtes Ziel der Israelis, die Hamas endgültig zu
zerschlagen und die entführten Geiseln zu befreien.
Auswirkungen auf die Wirtschaft
Zweifellos treffen die Auswirkungen des
Krieges gegen die Terroristen der Hamas Israel auch wirtschaftlich. Das 9,4
Millionen Einwohner zählende Land gehört zu den reichsten Staaten der Welt. In
bestimmten Bereichen wie Innovation und Technologie ist das Land weltweit
führend. Der Hightech-Sektor war im Jahr 2022 für mehr als 48 Prozent aller
israelischen Exporte verantwortlich. Rund 14 Prozent der Beschäftigten arbeiten
in Tech-Jobs. Weitere bedeutende Wirtschaftszweige sind der Biotech-Sektor, die
Pharmabranche und die Sicherheitsindustrie. Gemessen nach dem BIP pro Einwohner
liegt Israel auf Rang 14 mit einem Wert von rund 55.000 US-Dollar. 2012 lag die
Wirtschaftsleistung bei rund 263 Milliarden US-Dollar; 2022 bereits bei 525
Milliarden. Israel verfügt über 169.500 aktive Soldaten und über 465.000
Reservisten (männlich und weiblich). Binnen 48 Stunden hatte die Armee rund
300.000 Reservisten mobilisiert. Damit veränderte sich auch das Alltagsleben; diese
Arbeitskräfte fehlen derzeit der israelischen Wirtschaft. Die Notenbank senkte
ihre Wachstumsprognose. Der Der TA-35, ein Aktienindex mit 35 der größten
börsennotierten Unternehmen Israels, hat seit dem Angriff der Hamas deutlich
nachgegeben.
Aber Israels Abhängigkeit von Importen ist
ebenfalls groß. Der Schekelkurs ist auf den tiefsten Stand zum US-Dollar seit
achteinhalb Jahren abgerutscht. Importe dürften somit teurer und die Inflation
angeheizt werden.
Außerhalb Israels scheint die Wirtschaft
derzeit in Schockstarre gefallen zu sein. Nach Chinas Abschottung durch Covid
und dem russischen Einmarsch in die Ukraine suchten globale Unternehmen nach
neuen Investitionsstandorten und in der Folge floss ein großer Teil der Gelder
in den Mittleren Osten. Die Annäherungsbestrebungen zwischen arabischen Staaten
und Israels schürten die Hoffnung auf Stabilität in der Region.
Bis jetzt sind die wirtschaftlichen
Auswirkungen kaum spürbar, doch die Situation gleicht einem Pulverfass. So
könnte ein Kriegseintritt der Hisbollah oder die Beteiligung des Iran den
Konflikt auf ein gefährliches Niveau befördern. Ebenso beunruhigend sind die
Massenproteste auf den Straßen in Ägypten, Libanon, Jordanien oder Tunesien,
welche die dortigen Regierungen unter Druck setzen könnten. Die ägyptische
Bevölkerung hegt große Sympathien für die Palästinenser.
Eine Massenflucht aus Gaza Richtung Ägypten
könnte die größte Volkswirtschaft Nordafrikas hart treffen, vor allem den
Tourismus, der mit Einnahmen von 20 Milliarden Dollar eine der wichtigsten
Branchen des Landes darstellt. Ganz zu schweigen von weiteren Auswirkungen auf
Personal- oder Wohnungsmarkt und Auslandsinvestitionen. Letzteres beträfe auch
alle DAX-Unternehmen, welche knapp eine halbe Milliarde Euro jährlich
investieren. Betroffen sind auch Großprojekte wie z. B. jenes von Siemens
Mobility, welches um rund 8 Milliarden Euro eine Zugverbindung baut oder
Branchen aus dem Energiebereich, die Baubranche usw.
Eine Ausweitung des derzeitigen Konflikts im
Nahen Osten würde sich auch auf die weltweite Versorgung mit Medikamenten
auswirken. In Israel werden derzeit mehr als 60 Wirkstoffe hergestellt. Atosiban – ein Stoff, der zur Wehenhemmung eingesetzt wird – kommt zu
mehr als 30 Prozent aus Israel. Teva, eines der weltgrößten Pharmaunternehmen
hat ebenso seinen Hauptsitz und mehrere Produktionsstätten in Israel. Rund 70
km von der libanesischen Grenze entfernt stellt die Biotechfirma Protalix
Stoffe für die Behandlung der seltenen Stoffwechselkrankheiten Morbus Gaucher
und Morbus Fabry her.
Zu alledem würde eine Ausweitung des Krieges
enorme Auswirkungen auf den Gas- und Ölmarkt mit sich bringen.
Noch scheint die Auseinandersetzung räumlich
begrenzt zu bleiben. Regierungen zahlreicher Länder setzen ihre Hoffnung auf
Diplomatie, um einerseits das schier unermessliche Leid der Palästinenser zu
mildern und andererseits eine Perspektive für die Konfliktparteien zu schaffen.
Dies alles zu einer Zeit, wo der Kampf der Großmächte um eine neue Weltordnung
gerade erst Fahrt aufgenommen hat.
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